Autofahrer haftet in voller Höhe für mit der Autotür kollidierten Fahrradfahrer, sog. „Dooring“-Unfall – LG Köln, Urteil vom 02.08.2022 – 5 O 372/20
Unter einem sog. Dooring-Unfall versteht man einen Unfall zwischen einem Pkw und einem Fahrradfahrer im Straßenverkehr, bei dem ein Fahrradfahrer mit einer sich plötzlich öffnenden Fahrzeugtür kollidiert.
Das Landgericht Köln hat mit Urteil vom 02.08.2022, Az. 5 O 372/20, einen Dooring-Unfall entschieden, bei dem ein Fahrradfahrer einen Schadensersatzanspruch dem Grunde nach zu 100 Prozent zugesprochen bekam. Vorgerichtlich lehnte der betroffene Autofahrer bzw. dessen Kfz-Haftpflichtversicherung eine vollumfängliche Regulierung der erlittenen materiellen und immateriellen Schäden ab, sodass der Fahrradfahrer den Gerichtsweg beschritt. Hintergrund waren auch die enormen Verletzungsfolgen des Fahrradfahrers: So erlitt der Fahrradfahrer durch den Sturz eine Rippenfraktur und hatte darüber hinaus unfallkausale Verletzungen an Schulter, Schädel, Knien und Ellenbogen zu verzeichnen. Der kleine Funfact an der Geschichte: Der verunfallte Fahrradfahrer war Unfallchirurg.
Das Urteil des Landgerichts Köln vom 02.08.2022, Az. 5 O 372/20
Das Gericht entschied, dass der Fahrradfahrer dem Grunde nach Anspruch auf Schadensersatz gegen den Fahrer bzw. Kfz-Haftpflichtversicherung aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1 BGB, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und S. 4 VVG, 1 Satz 1 PflVG hat.
Hierzu führt das Gericht in seiner Urteilsbegründung wie folgt aus:
„(…) Gegen den Beklagten zu 1. spricht der Beweis des ersten Anscheins, den Unfall verschuldet zu haben, weil die Kollision mit dem Fahrrad des Klägers im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Öffnen der Fahrertür erfolgte. Gemäß § 14 Abs. 1 StVO hatte sich der Beklagte zu 1. dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war (OLG Celle, r+s 2019, 286 Rn. 15, beckonline). Dass der Beklagte zu 1. gegen diese Sorgfaltspflicht verstoßen hat, stellen die Beklagten nicht in Abrede, welche die Haftung grundsätzlich anerkannt haben und lediglich meinen, der Kläger müsse sich ein 25 %-iges Mitverschulden anrechnen lassen. Nach ständiger Rechtsprechung führt ein Verstoß gegen die höchsten Sorgfaltspflichten im Straßenverkehr gemäß § 14 Abs. 1 StVO gegenüber einem nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmer – Fahrradfahrer oder Fußgänger – regelmäßig zu einer Alleinhaftung des Pkw-Fahrers, -Halters und -Versicherers, wenn diesem nicht ein Verschulden nachgewiesen wird, weil auf Seiten des nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmers keine Betriebsgefahr zu berücksichtigen ist (OLG Celle aaO, Rn. 16; vgl. auch die weiteren Nachweise bei: Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 16. Auflage 2020, Rn. 389, beckonline). Ein Mitverschulden des Klägers (§§ 9 StVG, 254 BGB) ist demgegenüber aufgrund der Umstände des vorliegenden Falles nicht anzunehmen. Es konnte nicht festgestellt werden, dass dem Kläger der Vorwurf eines nicht ausreichenden Seitenabstandes zu machen war. (…)“
Interessant ist hier die Beantwortung der Frage, ob der Fahrradfahrer genügend Seitenabstand zum parkenden Fahrzeug eingehalten hatte. Das erkennende Gericht gibt dann eine Richtschnur, wie auch bereits das OLG Celle, das 50 Zentimeter genügen würden für einen ausreichenden Seitenabstand. Hierzu führt es wie folgt aus:
„(…) Wie groß der Abstand im konkreten Fall zu sein hat, ist eine Frage des Einzelfalles. Dabei kommt es auf die Verkehrslage, Geschwindigkeit und die bauliche Situation, insbesondere die Breite der Straße, sowie die Art der beteiligten Fahrzeuge an. Auf einer breiteren Straße ist ein größerer Abstand zu erwarten, wobei bei großen Fahrzeugen, wie Lastkraftwagen, die unter Umständen einen Luftsog verursachen, auch ein größerer Abstand erforderlich sein kann. Der Seitenabstand soll in der Regel so bemessen sein, dass ein geringfügiges Öffnen einer Fahrzeugtür noch möglich ist. 34 Zentimeter reichen hierfür nicht aus. 50 Zentimeter haben schon genügen können (OLG Celle, aaO, Rn. 22 m.w.N.). (…)“
Im Ergebnis liegt eine weitere Entscheidung eines Gerichts vor, die einen Seitenabstand eines Fahrradfahrers zu einem Fahrzeug mit 50 Zentimeter genügen lässt. Aber dennoch gilt, dass die 50 Zentimeter nicht pauschal gelten, sondern immer der Einzelfall und damit die konkrete Unfallsituation zu beachten ist. Mithin können unter anderen Umständen auch größere Seitenabstände für die Haftung von Relevanz sein.