Arzthaftungsrecht: Die Patientenaufklärung kann unter gewissen Voraussetzungen an einen Medizinstudenten delegiert werden!

Das OLG Karlsruhe hat sich in seinem Urteil vom 29.01.2014 – Az. 7 U 163/12 mit der Frage befasst, ob und unter welchen Voraussetzungen die ärztliche Aufgabe der Eingriffs- und Risikoaufklärung (Patientenaufklärung) an einen Medizinstudenten im Praktischen Jahr (kurz: PJ) übertragen werden kann.

Patientenaufklärung

 

Sachverhalt

Bei der Klägerin war bei einer Herzkatheteruntersuchung die Oberschenkelarterie durchtrennt worden. Eine erneute Operation wurde dadurch erforderlich. Über die Risiken und Konsequenzen einer Herzkatheteruntersuchung wurde die Klägerin lediglich durch einen Medizinstudenten im PJ aufgeklärt.

Das Urteil des OLG Karlsruhe vom 29.01.2014 – Az. 7 U 163/12

Das OLG Karlsruhe hat in seinem Urteil entschieden, dass die Aufklärung durch einen entsprechend angeleiteten und überprüften Medizinstudenten im PJ zulässig ist. Es ist nicht von vornherein unzulässig, die Aufklärung des Patienten auf einen Medizinstudenten im PJ zu delegieren.

Leitsatz des Gerichts

Die ärztliche Aufgabe der Eingriffs- und Risikoaufklärung kann einem Medizinstudenten im PJ übertragen werden, wenn sie seinem Ausbildungsstand entspricht und unter Anleitung, Aufsicht und Verantwortung des ausbildenden Arztes stattfindet. Dies setzt nicht unbedingt voraus, dass der Arzt bei jedem Aufklärungsgespräch anwesend ist.

Urteilsgründe

Vorinstanzlich hat das LG Karlsruhe zutreffend erkannt, dass die Aufklärung durch einen solchen Studenten der ärztlichen Aufklärung gleichstehen kann, aber nicht muss. Die Aufklärung eines Patienten ist im Grunde eine ärztliche Aufgabe, die zwar grds. auf einen anderen Arzt, aber nicht auf andere Hilfspersonen übertragen werden kann. Eine „andere Hilfsperson“ ist nicht ein Medizinstudent im PJ, allerdings müssen hier gewisse Grenzen gesetzt werden.

Nach § 3 Abs. 4 S. 2 ApprOÄ können und sollen Medizinstudenten im PJ entsprechend ihrem Ausbildungsstand unter Anleitung, Aufsicht und Verantwortung des ausbildenden Arztes ihnen zugewiesene ärztliche Verrichtungen durchführen. Dies entspricht auch dem Zweck des PJ, die Anwendung der während des vorhergehenden Studiums erworbenen ärztlichen Kenntnisse zu lernen (§ 3 Abs. 4 S. 2 ApprOÄ) und damit die praktischen Fähigkeiten und die klinische Erfahrung zu erwerben, die nach § 4 Abs. 2 S. 2 BÄO und Art. 24 Abs. 3 lit. d) der Richtlinie 2005/36/EG in der medizinischen Ausbildung vermittelt werden müssen.

Danach kann die Aufklärung einem Studenten im PJ übertragen werden, wenn sie seinem Ausbildungsstand entspricht und unter der Anleitung, Aufsicht und Verantwortung des ausbildenden Arztes stattfindet.

Auswirkungen auf die Praxis

Im Ergebnis soll diese Entscheidung nicht dazu führen, dass die Aufklärungsgespräche immer auf sog. PJler delegiert werden können. Wenn aber ein PJler den Eingriff in Ablauf und Risiken kennt, schon an Aufklärungsgesprächen teilgenommen hat und auch in Anwesenheit des Ausbilders selbst Gespräche geführt hat, kann ihm diese Aufgabe übertragen werden. Dabei sollte aber sowohl dem PJler als auch dem Patienten deutlich gemacht werden, dass offene Fragen unproblematisch mit dem Ausbilder (Arzt) besprochen werden können.


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